Niemeyer (links), Gorbatschow 1991 Niemeyer & Sergej Lawrow 2017
Der russische Außenminister Sergej Lawrow macht die USA für Russlands Einmarsch in die Ukraine verantwortlich. Diese würden heute ähnlich handeln wie einst Hitler und Napoleon.
SergeijLawrow hat Recht, was die Analyse zum Kriegsausbruch betrifft. Ich bin sogar noch weiter gegangen und zwar bis zum Dezember 1991, als ich im letzten offiziellen Interview, welches er als Präsident der UdSSR gegeben hatte, Michail Gorbatschow dazu befragte, was denn nun mit den 15 Millionen ethnisch russischen Menschen geschehen solle, die am folgenden Morgen in Staaten aufwachen würden, deren Bürger sie eigentlich nicht sein wollten. Gorbatschow antwortete bedauernd, daß er versucht habe es zu regeln, ihm aber nachdem CNN Jelzin im August 1991 auf einem Panzer gefilmt habe, die Zeit davongelaufen sei.
Macht habe er schon seit Juni 1991 nicht mehr gehabt, als IWF und G7 ihm ob seiner Weigerung, den sowjetischen Markt bedingungslos und sofort zu öffnen, bedeutet hatten, daß man nun Jelzin unterstützen werde. Gorbatschow sagte zu mir, daß er schwer ge- und enttäuscht vom Westen worden war.
Die Krim hatte sich im Januar 1991 per Referendum für unabhängig erklärt, die Ukraine erst im Sommer, hat dann sich aber einfach die Krim wieder geklaut, obwohl diese seit Katharina der Großen stets Russisch war und nur völlig widerrechtlich von Nikita Chrustschow an die Sowjetrepublik Ukraine „verschenkt“ worden war.
Deshalb gilt auch heute etwas anderes für die Krim, als für den Donbass: bei Friedensverhandlungen müssen zunächst Waffenstillstand und Entmilitarisierung der Ukraine einschließlich des Donbass umgesetzt werden, das heißt auch Truppenrückzug Rußlands bei gleichzeitiger Stationierung von UN Blauhelmtruppen unbeteiligter Staaten.
Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist ein mindestens so hehres Gut, wie die Unverletzlichkeit der Grenzen eines Staates, gleichwohl diese besonders in Europa über die Jahrhunderte und Jahrtausende ständig hin- und hergeschoben wurden.
Ein Referendum abzuhalten, wohin eine Bevölkerung möchte, geht selbstverständlich, wie man anhand des Saarlandes sieht, aber es muß mit Zustimmung der betroffenen Staaten erfolgen, sonst ist es völkerrechtswidrig. Frankreich hatte seinerzeit zugestimmt, ebenso die BRD-Verwaltung.
Im vorliegenden Fall, kann Rußland nicht einfach behaupten, die unabhängigen Republiken im Donbass seien nun russisches Staatsgebiet, denn sonst würden vielleicht andere Bevölkerungen ebenfalls auf die Idee kommen, sich anderen Staaten anzuschließen und das könnte für Rußland auch Probleme bedeuten. Die Begehrlichkeiten Polens und Chinas sind nicht außer Acht zu lassen, oder was, wenn die Bevölkerung von Kaliningrad gefragt würde, ob sie vielleicht doch wieder zu Deutschland gehören wollte anstatt zu Rußland?!
Ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedliche Kulturen friedlich unter einer Staatlichkeit miteinander leben können, ist die Schweiz, das Land der direkten Demokratie, der Neutralität und der vier Sprachen. Es ist von vier EU-Mitgliedsstaaten umgeben, hat aber dennoch offene Grenzen und einfache Zollverfahren.
Warum dasselbe nach dem BREXIT für Nordirland nicht funktioniert, ist unerklärlich, aber im Fall der Ukraine ist klar, dass die EU all die Jahrzehnte mit einem roten Zuckerbrot in Richtung Ukraine gewunken hat, indem sie ein EU-Assoziierungsabkommen angeboten hat, das völlig unvereinbar war mit der Russisch – Weißrussisch – Ukrainischen Zollfreizone, die schon lange vorher eingerichtet worden war. Es war einer der Gründe für den gegenwärtigen militärischen Konflikt, dass die EU jenen Details nicht Beachtung schenkte, die die Ukrainer zwangen, sich zwischen der EU oder Russland zu entscheiden, anstatt eine schweizerische Situation zu schaffen.
Ich fragte seit 2004 immer wieder alle ukrainischen (Minister-) Präsidenten, die nach Brüssel kamen, EU Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso oder EU Parlamentspräsidenten Jeryz Buzek, warum man nicht gemeinsam mit Rußland eine Lösung finden wolle und alle betonten stets, daß man ja nichts gegen Rußland im Schilde führe.
Am Ende muß auch über den Status der Donbass Republiken verhandelt werden. Wie in anderen Fällen, zB Südtirol, Korsika, Lesotho, Kwa-Zulu – Natal etc. kann weitestgehende Selbstverwaltung und Autonomie stehen. Wenn Rußland dann noch Sicherheitsgarantien des Westens und eine ehrliche Kooperation angeboten bekommt, wie einst mit Gorbatschow vereinbart, dann ist Frieden und Freiheit auch für alle Ukrainer möglich.
Wir haben als Deutsche die moralische, historische Verpflichtung, uns für jede Form von Frieden einzusetzen und gegen jede Gewalt einzutreten, aber nicht mit Waffenlieferungen Teil einer Kriegspartei zu werden. Frieden schaffen ohne Waffen!