Nur knapp vier Wochen lang kann man sich in der Gedenkstätte Bautzen eine Ausstellung anschauen, die unter anderem zeigt, dass die revolutionären Ereignisse des Wendejahres 1989 nicht überall in den Ostblockstaaten so friedlich verliefen, wie in der DDR. Mirko Krisanovic, in Serbien geborener Kroate, der von 1987 bis 1994 Redaktionsfotograf der F.A.Z. war, hat die Ereignisse in der DDR, aber auch in der Tschechoslowakei, Rumänien und Jugoslawien hautnah verfolgt und Bilder geschaffen, die auch nach 30 Jahren nichts von ihrer Gültigkeit verloren haben. Der Fotograf, der durch seine Herkunft aus Ex-Jugoslawien ein besonderes Gespür für die osteuropäischen Staaten entwickelt hat, zeichnet sich in seiner Arbeitsweise vor allem dadurch aus, dass er die Geduld aufbringt, den passenden Zeitpunkt für eine Aufnahme abzuwarten. Zugleich scheute er aber auch die Gefahr nicht, in die er sich mutig begab, um die gewaltsamen Auseinandersetzungen vor allem in seiner alten Heimat, aber besonders auch in Rumänien für die Nachwelt festzuhalten.
Die Wanderausstellung „1989 Zeitenwende: Osteuropa zwischen Friedlicher Revolution und Gewalt“ wurde am 15. Oktober in der Gedenkstätte Bautzen eröffnet. Sie ist dort bis zum 13. November zu sehen. In Anbetracht der Bilder, die die Gewalt, aber auch die Ängste der Menschen gerade in Rumänien und Jugoslawien zeigen, sagte Gedenkstättenleiterin Silke Klewin, dass es durchaus keine Selbstverständlichkeit war, dass es in der DDR friedlich blieb. Thomas Platz, früherer Gedenkstättenmitarbeiter und heute bei der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung beschäftigt, hat die Ausstellung kuratiert. Er sagte: „Es hätte durchaus auch anders laufen können“.
Wer die Bilder gern zu Hause noch einmal in aller Ruhe betrachten möchte, kann sie in Form des Kataloges mitnehmen, der kostenlos in der Ausstellung ausliegt. Der bietet eine Menge Hintergrundwissen und lässt auch den Fotografen persönlich zu Wort kommen. Denn zum einen findet sich dort ein Interview mit ihm, zum anderen liefert er auch zu jedem Foto einen kurzen Kommentar. Unter anderem führt er aus, dass ihn Unbehagen beschleicht, wenn er beobachtet, wie die Verhältnisse sich nach dem Umbruch weiterentwickelt haben. So sei sein Grundgefühl heute eher desillusioniert. Nach der unglaublichen Welle der Euphorie, dem Gefühl des Aufbruchs, die damals die Ostblockstaaten erfasst hatten, sei nun Ernüchterung eingetreten. Die anfängliche Aufbruchsstimmung habe Platz gemacht für neue Despoten. Enorme EU-Geldmittel flössen in korrupte Systeme. In Ungarn oder Rumänien versickere viel Geld bei den Reichsten und die Bevölkerung verharre weiterhin in Armut.
In einem Podiumsgespräch, moderiert von Thomas Platz, tauschten der ehemalige Sächsische Innenminister Heinz Eggert und der ehemalige Bautzener Bürgerrechtler und Mitbegründer des Neuen Forums Ullrich Keller ihre Erfahrungen aus der Vorwende- und Wendezeit aus. Auch bei diesen beiden Protagonisten des Umbruchs in Sachsen ist eine gewisse Desillusionierung unübersehbar. Heinz Eggert resümierte: „Es war nicht der Ruf nach Demokratie, der die meisten Leute damals auf die Straßen trieb, sondern der Ruf nach Wohlstand und sozialer Absicherung.“ Denn bei den Wahlen hätte sich die Mehrzahl nicht für die eingesetzt, die unter der DDR-Diktatur zu leiden hatten. Ullrich Keller stellte fest, dass die Bürgerrechtler sehr wohl wussten, was sie nicht wollten, aber wahrscheinlich zu wenig wussten, was sie wollten.
Befragt nach dem, was ihnen Kraft gibt beim Blick nach vorn, antwortete Heinz Eggert, dass es ein Glück sei, dass Kinder heute in der Schule frei sagen können, was sie denken und dass heute keiner verhaftet werden kann, weil er an einer Demonstration teilnimmt. Ullrich Keller sagte, die errungene Freiheit sei ein unglaubliches Gefühl. Er habe erkannt, wenn eine Situation eintritt, wo bestimmte Eckdaten nicht mehr stimmen und es den Leuten reicht, dann ist es vorbei.