Verschlafen hat Volker Bartko die Sendung der Aktuellen Kamera mit jener denkwürdigen Pressekonferenz, auf der Günter Schabowski die Grenzöffnung, freilich ungewollt, bekannt gab. Denn Volker Bartko hatte sich am 9. November 1989 zeitig schlafen gelegt, weil er um 2 Uhr wieder raus musste, um rechtzeitig am Flughafen zu sein, wo sein Urlaubsflieger Richtung Leningrad – heute St. Petersburg – abhob. Im Flugzeug las der Vater zweier Kinder, in der Parteizeitung Neues Deutschland von den Geschehnissen der vergangenen Nacht. „Meine Frau wäre am liebsten wieder umgekehrt“, erinnert sich Volker Bartko. Das Ehepaar fühlte sich an den folgenden sieben Tagen ein bisschen wie hinter dem Mond. Nach Hause telefonieren? Völlig undenkbar in dieser Zeit! Nach der Rückkehr in Berlin probierten die Bartkos die neue Reisefreiheit gleich aus. Sie stiegen einfach in die S-Bahn und fuhren bis zum Ku-Damm durch. „Es war für uns einfach unfassbar, dass das plötzlich problemlos möglich war“, sagt Volker Bartko. Für das Begrüßungsgeld bekamen der damals zwölfjährige Sohn und die achtjährige Tochter je einen Walkman.
1990 wurde Volker Bartko, der sich bis dahin bei der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) um das Wohnungswesen gekümmert hatte, in den Stadtrat gewählt. Doch das Mandat bekleidete er nicht lange, denn am 1. September 1990 wurde er mit erst 32 Jahren zum Amtsleiter für Wohnungswesen berufen. Seine Aufgabe war es, das bundesdeutsche Wohnrecht durchzusetzen – wahrlich kein einfacher Job! Volker Bartko baute mehrere Beratungsstellen auf, um die Leute über ihre Rechte aufzuklären, zum Beispiel über ihre Wohngeldansprüche. Zum Glück seien durch den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft gute Leute freigesetzt worden, die für diese Aufgaben geeignet waren. Da Alteigentümer von Wohnhäusern aus dem Westen ihre Ansprüche anmeldeten, musste ein Gremium geschaffen werden, das die Interessen der Wohnungsmieter vertrat. So wurde Volker Bartko zum „Geburtshelfer“ des Mieterbundes in Bautzen. 100 Leute waren bei der Gründungsveranstaltung zugegen.
Zu DDR-Zeiten gehörte Volker Bartko der Laufbewegung an, die von den Behörden kritisch beargwöhnt wurde. Dennoch findet er einiges gut an dem untergegangenen Staat. So sei beispielsweise der menschliche Zusammenhalt einfach besser gewesen. Heute tritt die Spaltung der Gesellschaft immer deutlicher zu Tage, bedauert Volker Bartko. Diese Polarisierung in „Links“ und „Rechts“ findet er schrecklich. Das Zusammenleben in Arbeitskollektiven habe früher dazu geführt, dass man sich gegenseitig besser kennenlernte, Unterschiede konnten im persönlichen Gespräch ausgeglichen werden. Außerdem sei es nicht so wichtig gewesen, was der andere dachte. Man habe sich mehr miteinander beschäftigt. Die in der DDR herrschende Knappheit an Gütern sei ja nicht per se nur schlecht gewesen, denn sie habe dazu geführt, dass man mit den Dingen sorgsamer umgegangen ist. Wenn die heutige Form des Wirtschaftens mit ihrer enormen Verschwendung von materiellen Ressourcen so weiter gehe, werde das Wirtschaftssystem früher oder später zusammenbrechen, befürchtet Volker Bartko. Leider werde in allen Schichten verschwendet. Und diejenigen, die freitags für ihre Zukunft demonstrierten, seien teilweise die größten Verschwender.
Extrem negativ an der DDR, war, so Volker Bartko, dass sich die Eliten immer mehr von den Menschen weg zu Funktionären entwickelt hatten. Damit sei der Dialog mit dem Volk abgebrochen worden. Doch das sei heute auch nicht anders.
Und auch der fehlenden Reisefreiheit kann Volker Bartko etwas Positives abgewinnen. In den Betriebsferienheimen und Ferienlagern hatte man viele schöne Gemeinschaftserlebnisse.
Die ersten zehn Jahre nach der Wiedervereinigung hat Volker Bartko als positiv erlebt. Da sei so viel Aufbruch gewesen und man konnte noch gestalten. Doch mittlerweile nervt ihn der überbordende Bürokratismus nur noch. Die heutige Wirtschaft bestehe zu 60 Prozent aus einer Umverteilungsverwaltung und nur noch zu 40 Prozent aus Wertschöpfung. Und davon wiederum bestünden 15 Prozent aus Zombie-Unternehmen, die Dinge herstellen, die man eigentlich gar nicht braucht.
Für die Zukunft wünscht sich Volker Bartko, „dass wir zu normalen Verhältnisse zurückkehren und das die Exekutive und die Legislative wieder mehr Verantwortung übernehmen.“ Und er fügt hinzu: „Wir müssen uns wieder mehr auf uns selbst zurückbesinnen, uns fragen, was wollen wir wirklich, was ist uns wichtig“. Für die Stadt Bautzen brauche es eine Persönlichkeit, die eine klare Richtung zu bestimmen hilft. „Wir sollten uns Ziele setzen, die nicht die eierlegende Wollmilchsau sind“, sagt Volker Bartko.